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Autor Thema: Zeitzeugnis eines Marine-Soldaten v. 17.9.39 über den Kriegsbeginn / Danzig  (Gelesen 608 mal)

Offline hw33175

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Hallo!
Hier ein Brief ohne namentlichen Absender v. 17.9.39 aus Kiel als Zeitzeugnis.

Der Schreiber des Briefes ist offensichtlich ein Marine-Soldat, Adjutant bei einem Kapitän (Obersten-Rang), laut Inhalt.
Er beschreibt aus seiner Sicht die Situation / Stimmung bei dem Kriegsbeginn und seine Erkenntnisse im Bereich Danzig.

Kiel, den 17. September 1939 / Dahlmannstr. 2 I
….
Nun will ich heute am Sonntag endlich meine Briefschulden bei Dir tilgen und nun stelle ich zu meinem Entsetzen fest, daß ich nicht einmal anständiges Briefpapier zu Hause habe. Na, eine Entschuldigung habe ich ja: es ist ja Krieg! Man hat eben doch hier und da andere Sorgen nebenbei. Trotzdem wir können hier noch sehr zufrieden sein. Denn wir haben bis auf
2-maligen Luftalarm zu Beginn des „Krieges mit England u. Frankreich“ bisher nichts verspürt. Aber große Sorge hatte ich doch um Köln und Euch, da man zunächst annahm, daß Ihr vielleicht mit direkter Beschießung aus Frankreich oder zum mindesten doch enorm unter Fliegerangriffen zu leiden haben würdet. Nun Gott sei Dank ist es bisher anderes gekommen. Man glaubt doch allgemein, daß Frankreich diesmal nicht geneigt ist, sich für England ins Feuer schicken zu lassen. Aber der Engländer ist zähe und klug genug, zu wissen, daß für ihn alles auf dem Spiele steht. Und es wir mich nicht wundern, wenn es ihn doch noch gelingt, Amerika in den Krieg hineineinzuziehen. Doch hoffe ich, daß die Diplomatie auch bei ihrer weiteren Arbeit, von der wir direkt nichts sehen und hören, Erfolge haben wird wie z.B. mit Rußland und nun auch in der Verständigung zwischen Rußland und Japan. Hoffen wir also, daß alles Schlimme bald einmal ein Ende nimmt und wir uns froh und vergnügt zu einem Wiedersehen treffen können, gell! – ……….
Ich bleibe zweifellos einstweilen hier; denn ich habe hier einen Adjutantenposten bei einem Kapitän (Obersten-Rang), der gar nicht daran denkt, mich freizugeben, da er wohl mit meiner Arbeit zufrieden ist und sich nicht an ein neues Gesicht gewöhnen mag. Ich hatte mich selbstverständlich für Danzig gemeldet, schon weil ich dort alle meine Angehörigen habe; aber wie gesagt, man tut mir den Gefallen nicht. ……..
Jetzt müssen wir ja hier Tag und Nacht in Uniform gehen, was das Leben auch etwas beschwerlicher macht (Besorgungen, Lokalbesuch usw.) Deinem Bruder geht es also ähnlich wie mir; ihn läßt man auch nicht fort. Inzwischen ist ja in meiner Heimat Ruhe eingekehrt. Aber Aufregung haben meine Verwandten (Schwester, Schwager, Neffe mit Frau und Kind, sowie Tante u. Cousine) doch gehabt. Die Einnahme des Polnischen Postamtes in der nächsten Nähe deren Wohnungen hat viel Schießerei gekostet. Es war das Gebäude des ehemaligen Danziger Garnison Lazaretts als Danzig bis 1919 noch deutsche Truppen beherbergte. Dann liegt auch die Westernplatte in der Luftlinie nur etwa 6 km von ihrer Wohnung in einem Hochhaus ab, so daß sie mit Fernglas ein wunderbares Schauspiel hatten. Aber als die „Schleswig-Holstein“ morgens um 4 Uhr  45 zum ersten Mal auf die Westernplatte zu ballern anfing, sind sie doch beinahe vor Schreck aus dem Bett gefallen und in den öffentlichen Luftschutzkeller um die Ecke geflüchtet, da sie ja nicht wußten, was nun eigentlich los ist. Auch in den Reihen unserer Bekannten sind schon Todesfälle zu verzeichnen. Gestern wurde der Heldentod des hiesigen Polizeipräsidenten, S.-A. Obergruppenführer der Gruppe Nordmark, der bei Posen gefallen sein soll (als Leutnant d. R. und Kompanieführer) bekannt gegeben. Auch aus unserem Betrieb ist ein junger Mann von 25 Jahren in Polen gefallen. Wenn man dann noch an die bestialischen Grausamkeiten denkt, kann man keine rechte frohe Laune mehr bekommen.
In Zoppot war bis zu meiner Abreise alles zuversichtlich ruhig. Ich war noch bei der ersten Parade des S.S.-Heimwehr Danzig und bei der Fahnenverleihung durch Gauleiter Forster dabei, ebenso bei der riesigen Protestkundgebung gegen die bekannte polnische Drohung, Danzig mit Kanonen in Trümmern zu schießen. – Es ist eigenartig, daß der Engländer seine Luftangriffe nicht wiederholt. Vielleicht sucht er noch nach Dummen, die er vorschicken kann. Auch die Geplänkel Frankreichs bei Saarbrücken zeugen von keiner großen Angriffslust. …….

HW33175

Offline Manfred

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Sehr interessanter Inhalt

Grüsse

Offline Melax

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Wirklich sehr interessant!!

Der gefallene Leutnant und Kieler Polizeipräsident war Joachim Meyer-Quade (You are not allowed to view links. Register or Login) - aber denke das wird schon bekannt gewesen sein :)

Danke fürs teilen,

Beste Grüße

Alexander
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Offline topstar229

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Der erwähnte Angriff von Frankreich im Raum Saarbrücken ist auch ein vergessenes Kapitel des Weltkrieges. Hatten die Franzosen damals mehr Druck gemacht (ob die dazu in der Lage waren kann man bezweifeln) wäre noch eine interesse Situation entstanden. Da lässt sich aber heute nichts mehr ändern ;)

 

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